Rede & Bilder vom Stadtspaziergang vom 4.12. durch den Kreis 5 in Zureich

Am 4. Dezember fand in Zureich ein Stadtspaziergang gegen Aufwertung und Vertreibung statt. Bei Sturm und Regen spazierten 200 Leute durch den Kreis 5 zu verschiedenen Orten der Gentrifizierung und der Kämpfe dagegen.

Wir wir bedanken uns bei der Stadtgruppe, dass wir die Möglichkeit erhielten, eine Rede zur Situation in Winterthur zu halten.

Das Communiqué zum Spaziergang findet ihr hier:

https://wir-bleiben-alle.ch/demo

Hier unsere Rede:

Ich begrüsse euch im Namen der Häuservernetzung Winterthur. Wir sind ein Zusammenschluss von
mehreren räumungsbedrohten Häusern und Solidarischen, die mit uns für den Erhalt von günstigem
Wohnraum kämpfen.

In den letzten 20 Jahren sind die Mieten überall explodiert. Das Immobiliengeschäft boomt. Es wird
überall abgerissen, saniert und investiert. Alles wird aufgewertet. Alles wird herausgeputzt. Alles
wird auf Kommerz getrimmt.

Aus dem öffentlichen Raum, aus den Gassen, Plätzen, Pärken, soll alles weg, was stört. Und das
heisst: Was nicht dem Geschäft dient, hat keine Daseinsberechtigung.

Auch aus den Häusern sollen alle verschwinden, deren Portemonnaie nicht genug hergibt. Gemeint
sind damit wir. Wir sollen verschwinden. Weil wir in prekären Jobs arbeiten müssen, weil wir uns
keine hohe Miete leisten können, weil wir keine sogenannt guten SteuerzahlerInnen sind.

Unsere Lebenskosten steigen ständig an. Die Mieten, die Krankenkassen- und
Versicherungsprämien, der ÖV, die Energiepreise: Alles wird teuerer, während die Löhne stagnieren
und die Renten gekürzt werden.

Die Immo-Firmen machen in der COVID-Krise fette Profite, während wir die Arbeit verloren haben
oder auf Kurzarbeit waren. Denn die Wohnungsmieten müssen wir ja weiterhin bezahlen.
Sanierungen und Abrissprojekte werden weiter verfolgt. Zwangsräumungen finden weiterhin statt.
Ob Pandemie oder nicht, ob gesund oder krank: Wenn es um die Sicherung der Rendite der
Hauseigentümer geht, dann bleibt alles beim Alten.

Der Verlust der Arbeit oder der Wohnung ist kein individuelles Problem, sondern Ausdruck einer
gesellschaftlichen Situation, die Kapitalismus heisst. Die ständige Verteuerung unseres Lebens ist
ein gegen uns gerichteter sozialer Angriff von oben. Und gegen den müssen wir uns von unten
wehren.

In Winterthur ist eine der wichtigen Immo-Firmen die Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte
SKKG, die mit dem Zürcher Immo- und Bankenklüngel eng verbandelt ist. Die SKKG tritt als
gemeinnützige Kunststiftung auf, ist tatsächlich aber eine profitorientierte Immo-Bude. Ihr gehören
die Wohnungen des verstorbenen Millionärs Bruno Stefanini. In Winterthur sind das über 1700
Wohnungen in 200 Häusern.

Heute wohnen in den günstigen Stefanini-Wohnungen viele, die nicht viel haben. Doch so soll es
nicht mehr sein. Denn die SKKG möchte ihre Einnahmen erhöhen. Alle Häuser sollen saniert
werden. Einige davon möchten sie abreissen und neu überbauen. Dafür wird die SKKG nicht
weniger als 1 Milliarde Fr. ausgeben. Zur Zeit laufen bei der SKKG mindestens 40 Sanierungs-
oder Abrissprojekte.

1 / 2Vor einem Jahr haben sich mehrere Stefanini-Häuser zusammengetan, die seit zum Teil über 20
Jahren besetzt oder geduldet, auf jeden Fall aber selbstverwaltet sind. Selbstverwaltet meint nicht
gratis: Der verstorbene Bruno Stefanini und heute die SKKG haben in all den Jahren nicht einen
einzigen Franken ausgegeben für diese Häuser. Unterhalten wurden sie allein von den
BewohnerInnen, die sämtliche Ausgaben selber berappen.

Die selbstverwalteten Häuser in Winterthur sind räumungsbedroht. Die Eigentümerin SKKG
möchte die BewohnerInnen vertreiben. Sie sollen alle weg. Dann kann man sanieren oder abreissen
und lukrative Wohnungen bauen.

Die BewohnerInnen haben der SKKG dieses Jahr einen praktischen Vorschlag unterbreitet. Die
SKKG soll die Liegenschaften im Baurecht abgeben, die Häuser sollen an eine kollektive Struktur
übergeben werden. Damit würde der günstige Wohnraum erhalten bleiben.

Die SKKG ignorierte den Vorschlag. Sie möchte, dass die BewohnerInnen unsichere und kurzfriste
Gebrauchsleiheverträge unterschreiben. Um danach die Häuser ohne grossen Aufwand leeren und
abrechen zu können. Wer nicht unterschreibt, der und die landet auf der Strasse.

Doch es geht in Winterthur nicht nur um die besetzten Häuser. Denn die Sanierung der grossen
Stefanini-Siedlungen in den Winterthurer Aussenquartieren bedeutet für viele, dass sie sich die
Wohnungen nicht mehr werden leisten können. Es droht eine gross angelegte soziale Vertreibung.
Die Sanierungen betreffen die ganze Stadt. Wird ein Block saniert, dann folgt der nächste. In der
ganzen Strasse, im ganzen Quartier werden die Mieten steigen. Und sie werden nicht mehr aufhören
zu steigen.

Das Beispiel von Zürich zeigt ja, wohin die Reise geht. Noch können wir in Winterthur diese
Entwicklung verhindern. Viel Zeit bleibt uns allerdings nicht mehr.

Wir von der Häuservernetzung Winterthur sagen: Wenn die SKKG versucht, ein Haus räumen zu
lassen, dann werden wir das verhindern. Dafür brauchen wir auch die Unterstützung aus Zürich.
Winterthur ist mit dem ÖV bloss 20 Minuten entfernt. Kommt uns helfen!

Wir sagen: Die Kosten für nötige Sanierungen soll die milliardenschwere SKKG selber bezahlen
und nicht auf die BewohnerInnen abwälzen. Es dürfen dabei keine Kündigungen ausgesprochen
werden, wie das jetzt der Fall ist. Die BewohnerInnen sollen in ihren Wohnungen bleiben können
und eine Mitsprache erhalten bei den Sanierungen.

Und wir sagen auch:

Ob mit oder ohne Mietvertrag – wir sind solidarisch miteinander, wir stehen zusammen und wir
bleiben alle!

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