Am Mittwoch 1. Februar haben sich über 40 Leute vor dem Hautpsitz der Stefanini-Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte versammelt, um gegen die drohende Räumung der selbstverwalteten Häuser und gegen die Aufwertungs- und Vertreibungspolitik der SKKG zu protestieren.
Anlass zu dieser Protestkundgebung war die jährliche PR-Veranstaltung der SKKG, bei der sich die steuerbefreite Milliarden-Stiftung als Wohltäterin darstellen lässt und sich selber in höchsten Tönen lobt. Die Stiftung gibt Unmengen von Geld für Artwashing und Lobbyismus aus, kauft sich Medien und Kulturschaffende, während sie die Innenstadt vergoldet und die Armutssiedlungen abreissen lässt und uns das alles als gute Tat verkaufen will.
Bei der Kundgebung gab es ein wärmendes Feuer, einen Apéro pauvre, viele Transparente, Musik, Schilder und Karton-Häuser, Flugblätter und kämpferische Reden (die vollständigen Reden finden sich weiter unten).
Eine Rede wurde von der Interessengemeinschaft der Bewohner:innen und Benutzer:innen der Stefanini-Häuser gehalten und drehte sich um die armenfeindliche Wohnbaupolitik, die Wohnungsnot und Gentrifizierung in Winterthur, wovon die Immobilien-Millionärin SKKG nur ein Teil ist.
Die andere Rede kam von der Häuservernetzung Winterthur, die in ihrer Neujahrserklärung auf die existentielle Bedrohung durch die drohende Räumung und Zerstörung der selbstverwalteten Stefanini-Häuser durch die SKKG aufmerksam machte.
Zudem erzählten unsere Freund:innen vom Urteil im Kleisterprozess in Basel. Bei diesem Prozess standen sechs junge Winterthur:innen vor Gericht mit der Strafandrohung von einem Jahr Gefängnis, weil sie wichtige Kritik am kapitalistischen Normalzustand während der Pandemie an die Wände gekleistert haben sollen.
Wir sagen, d’Strasse und d’Hüüser sind eus! Wir organisieren uns solidarisch gegen Angriffe von oben, gegen Repression & Vertreibung.
Häuservernetzung Winterthur
1.2.2023
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Rede Häuservernetzung:
Neujahrserklärung der Häuservernetzung Winterthur
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Rede IGBBSL:
Rede IGBBSL, Kundgebung vor Sulzer-Hochhaus, 1.2.2023
Wer heute fette Profite einfahren will, muss über Land und Immobilien verfügen. Geld verdienen mit Häusern, das wollen alle. Die Immobilienbranche profitiert trotz der aufziehenden Lebenskostenkrise. Oder besser gesagt: Sie profitiert gerade wegen der Krise. Denn alle brauchen ein Dach über den Kopf. Darum sind die meisten erpressbar, wenn es um ihren Wohnraum geht.
Die herrschende Wohnungsnot — wie ihr wisst, sind in Winterthur kaum mehr bezahlbare Wohnungen frei — die herrschende Wohnungsnot: Sie ist kein Naturphänomen, sondern knallhartes Kalkül. Sie ist ein Mittel, die Einnahmen der EigentümerInnen zu vermehren. Je weniger Wohnungen frei sind, desto höher wird die Miete.
Wer wenig verdient und wenig hat, wird dabei aus der Stadt vertrieben. Wir sollen die Stadt bauen, sie flicken und putzen, die Waren ausliefern, in den Läden und Spunten bedienen, die Kleinen hüten und die Alten pflegen. Wir sollen arbeiten, ja, aber hier wohnen: Nein, das sollen wir nicht mehr. Und wir können es bald auch nicht mehr, denn die Mieten und Nebenkosten steigen ständig an.
Wobei: Das ist ja falsch gesagt, sie steigen nicht. Die Mieten und Nebenkosten werden angehoben! In den letzten zwanzig Jahren haben die EigentümerInnen in der Schweiz die effektiven Mieten um gut 20 % angehoben. Die Strompreise werden diesen Winter in Winterthur um 30 % angehoben. Die Löhne hingegen stagnieren oder werden effektiv gekürzt. Denn viele Betriebe zahlen keinen Teuerungsausgleich.
Um uns daran zu hindern, gemeinsam und solidarisch dagegen vorzugehen, wird Angst und Rassismus geschürt. Zu viele lassen sich einreden, die Wohnungsnot sei durch die Zuwanderung verursacht. Das ist ein fremdenfeindliches Märchen. Eines, das schon früher erzählt wurde.
Eines muss uns klar sein: Das Problem sind nicht die Leute, die hier ankommen und ihr Auskommen suchen. Das Problem ist eine durchdrehende Immobilienbranche, die ihre Profite maximieren will, und eine verantwortungslose Stadt, die bloss auf Einnahmen aus ist.
In dieser Stadt können es alle sehen, die es sehen wollen: Gebaut wird für die Reichen. Der öffentliche Raum wird hergerichtet für die Reichen. Politik und Medien hofieren die Reichen.
Beispiele dafür gibt es viele:
– Egal, ob es um die teuren Überbauungen auf dem Sulzerareal oder in Neuhegi geht.
– Oder die Aufschickung der Bahnhofsumgebung.
– Oder die bevorstehende Gentrifizierung des Stadtparks.
– Oder die geplante Vertreibung der Armen des Campingsplatzes und des Wagenplatzes am Schützenweiher.
– Oder die Totalsanierungen der SKKG in der Altstadt und der geplante Abriss der Zypressenstrasse in Wülflingen.
– Oder die von derselben SKKG geplante Räumung der selbstverwalteten Stefanini-Häuser, mit der sie an die 50 BewohnerInnen obdachlos machen möchte.
Alle diese Vorhaben werden gewaltsam auf dem Buckel der bisherigen BewohnerInnen und BenutzerInnen geplant und durchgesetzt. Sie sind armenfeindlich. Sie dienen ausschliesslich dem Profitstreben der Immobilienbranche und ihrer InvestorInnen.
Die Stadt hat auf voller Linie versagt. Sie hat keine Sozialwohnungen, die diesen Namen verdienen. Sie weigert sich, einen öffentlichen Wohnungsbau zu betreiben. Sie unternimmt nichts gegen die Wohnungsnot, gegen die viel zu hohen Mieten oder die Obdachlosigkeit. Das einzige, was der Stadt dazu einfällt, ist Repression, Armutsverwaltung und Ignoranz.
Es ist offensichtlich: Niemand wird unsere Probleme für uns lösen. Nur wir selber können verhindern, gekündigt, geräumt und vertrieben zu werden. Wir müssen uns selbst organisieren. Die Lösung heisst Selbstorganisation und Selbstverwaltung von unten. Wir müssen uns zusammentun, unsere Lage erkennen und solidarisch zusammen kämpfen.
Allein machen sie dich ein, schmeissen sie dich raus, lachen sie dich aus. Deshalb: Schliesst euch zusammen! Bildet Basisgruppen im Betrieb, wehrt euch gegen Lohnsenkungen, tretet einer Gewerkschaft und dem MieterInnenverband bei, wehrt euch gegen überrissene Mieten und Kündigungen, macht einen Auszugsboykott, gründet Nachbarschaftskomitees, helft einander. Und verteidigt mit uns zusammen die von der Räumung bedrohten Häuser.
Zusammen bauen wir die Solidarität von unten auf!
Interessengemeinschaft der BewohnerInnen und BenutzerInnen von Stefanini-Liegenschaften IGBBSL, Winterthur, 1.2.2023